Das fragte mich eine Stationsleiterin als ich empCARE in ihrer Klinik vorstellte.
In empCARE-Seminaren geht es weniger darum, Teilnehmer*innen empathischer zu machen, sondern durch reflektierte Empathie, Belastungserleben, psychosomatische Symptome und Burnout zu reduzieren.
Tatsächlich haben wir aber immer wieder Teilnehmer*innen, die von ihren Vorgesetzten geschickt werden, damit wir sie empathischer machen. Das ist oft eine herausfordernde Situation für beide Seiten. Denn manchmal möchten diese Personen beweisen, dass nicht sie ein Defizit haben, sondern empCARE.
Liebe und Vertrauen als didaktische Prinzipien
Wie gehen wir dann damit um? Mit zwei Grundsätzen, die Paulo Freire für seine pädagogische Arbeit formuliert hat: Liebe und Vertrauen.
Der Faktor Liebe ähnelt dem Faktor Akzeptanz bei Carl Rogers. Wir betrachten unsere Teilnehmer*innen (Im Unterschied zu manchen ihrer Vorgesetzen) nicht als defizitär. Für uns sind sie Menschen, die an einem bestimmten Punkt in ihrem Leben, verantwortlich Entscheidungen treffen. Wir drücken schon in der Einleitung des Seminars explizit aus, dass wir keine Defizite reparieren, sondern eine Einladung aussprechen. Wir laden dazu ein, Denk- und Handlungsoptionen im Umgang mit Empathie zu erweitern. Diese Einladung nehmen Teilnehmer*innen eher in einem Klima des Vertrauens an.
Wir vertrauen darauf, dass alle Teilnehmer*innen, ihr Denken und Handeln im Umgang mit Empathie erweitern können, so wie es ihnen zum Zeitpunkt des Trainings eben möglich ist – und manchmal auch erst viel später. Wir haben sehr bewusst Elemente eingebaut, die die Vertrauensbildung zwischen den Teilnehmer*innen untereinander und den Teilnehmer*innen und der Trainingsleitung unterstützen.
Es ist also eine Mischung aus Haltung und Methodik, die eine positive Wirkung entfaltet. Rückmeldungen von Teilnehmer*innen bestätigen das: „Das Kennenlernen war mal etwas ganz anderes und brachte die Gruppe sofort zusammen.“ schreibt eine Teilnehmerin und eine andere antwortet auf die Frage, was besonders positiv war: „…dass man nichts falsch machen konnte.“
Herr Thiry, das hört sich aber alles zu schön an, um wahr zu sein.
Gelingt es also immer, ein Klima von Akzeptanz und Vertrauen zu erzeugen und dadurch Lernprozesse bei den Teilnehmenden anzuregen? Auch wir sind gelegentlich von der Tagesform abhängig, auch wir haben Lehrgeld bezahlt. Ich erinnere mich an ein Training im Hochsommer, einer dieser sehr heißen Tage, ich hatte schlecht geschlafen, war nicht ausgeruht und dann saß da ein Teilnehmer, den ich schon kannte und wirklich nicht mochte. Ein Fiasko mit nicht enden wollendem Kreislauf aus Kritik und Rechtfertigung und Kritik und Rechtfertigung. Aber gerade in diesem Seminar habe ich selbst sehr viel gelernt. Was? Ohne Liebe und Vertrauen geht es nicht.
Literatur:
Freire, Paulo: Pedagogy of the Oppressed. freire-pedagogy-of-the-oppressed.pdf (ucsc.edu)
Thiry, Ludwig: Vierdimensionale Didaktik - eine Einladung zum reflexiven Lernen. Vierdimensionale Didaktik – eine Einladung zum reflexiven Lernen | SpringerLink
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