Wir werden oft gefragt, ob empCARE noch so ein Resilienzseminar ist. Auch im empCARE-Team diskutieren wir immer wieder darüber. Jedes Mal stellt sich dann schnell heraus, dass die Begriffe Resilienz und Empathie meistens in einem weitgefassten Alltagsverständnis gebraucht werden, das zu Missverständnissen führt.
Die Probleme fangen immer schon damit an, dass Resilienz kein eindeutig definiertes und abgrenzbares Konstrukt ist. Ist Resilienz ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal oder verändert sie sich je nach Kontext oder ist sie gar nicht an eine Person gebunden, sondern eher ein prozessuales Geschehen?
Resilienz - ein schillernder Begriff
Geht es bei Resilienz um das Zurückschwingen in den ursprünglichen Ruhezustand nach einer kurzfristigen Belastung, wie nach einer Reanimation, dem Versterben eines Menschen oder nach einer unvorhergesehenen Komplikation? Oder sollen resilient gemachte Menschen dauerhaften Druck einfach nur besser ertragen?
Resilienz ist ein schillernder Begriff, eine Folie, auf die Wünsche und Erwartungen projiziert werden. Das hat er übrigens mit dem Begriff Empathie gemein, der auch kaum jemals in wissenschaftlicher Klarheit benutzt wird und geradezu eine Formel für allerlei Sehnsüchte darstellt.
Vorgesetzte buchen Resilienzseminare meist in bester Absicht. Und doch handelt es sich oft um das, was wir eine pseudo-empathische Reaktion nennen. Pseudo-empathische Reaktionen werden durch die Wahrnehmung von Leid, Mangel, Unzufriedenheit eines anderen Menschen ausgelöst. Sie adressieren jedoch in der Regel die eigene Belastung. Sie sind die schnelle Reaktion, mit der das eigene Unbehagen behoben werden soll, vor allem dann, wenn die eigenen Ressourcen zur Unterstützung der anderen Person als unzureichend eingeschätzt werden. Und wer wollte leugnen, dass auch Führungskräfte der strukturellen Unterfinanzierung von Pflege einigermaßen machtlos gegenüberstehen. Wir nennen dieses Verhalten pseudo-empathisch, weil es der äußeren Form nach zwar empathisch aussieht, das eigentliche Bedürfnis der anderen Person aber gar nicht angesprochen wird. Beschäftigte spüren das und sind verstimmt, wenn Resilienzseminare angeboten werden, ohne an strukturelle Ursachen von Überlastungen heranzugehen.
Pflegefachpersonen sind meist schon hochresilient
Für uns als Seminarleitungen ist es nicht leicht, wenn Menschen an unseren Seminaren teilnehmen (müssen), denen von Vorgesetzten oder von Kolleginnen und Kollegen vermittelt wurde, ihre Resilienz oder ihre Empathie sei defizitär. Wir gehen immer vom Gegenteil aus. Menschen im Pflegeberuf haben in der Regel eine hohe Resilienz und verfügen über hohe Empathiefähigkeiten.
Und auch ganz grundsätzlich haben wir ein anderes Bild von Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Wir gehen immer davon aus, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die bereits über ein ganzes Bündel von Kompetenzen verfügen, und dass sie ihre Denk- und Handlungsmöglichkeiten erweitern wollen und können. So gesehen ist empCARE eher ein Konzept des Empowerments.
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff Resilienz liefert Mareike Ernst: (PDF) Resilienz - Kritische Perspektiven auf ein Konstrukt zwischen Ressourcen und Risiken (researchgate.net)
und eine Studie über Resilienz von Personal im Gesundheitswesen während der Covid-Pandemie erstellte Leodoro J. Labrague: (PDF) Psychological resilience, coping behaviours, and social support among healthcare workers during the COVID-19 pandemic: A systematic review of quantitative studies (researchgate.net)
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